Schlingensiepen OSC

Experimente

Reflexionen zum Verlauf der Ausstellung "Sv zwischen Macht und Macht nix"

Sich diesem Thema zu nähern, in Berlin und mitten in Deutschland, das war schon eine Herausforderung. Und wir haben uns wirklich mit dem Thema beschäftigt. Es ging ja um systemische Supervision... Beratung... und konsequenter Weise haben wir ein restlos systemisches Design entwickelt: "Macht doch was Ihr wollt - erweitere die Möglichkeiten"
ein Beratungs-Environment - eine Ausstellung.

Bevor wir hier jetzt zum Ende kommen ein Hinweis. Dies ist ein Warnung: wir haben bezüglich dieses Textes nichts vor, Lesen geschieht auf eigene Gefahr. Was Sie mitnehmen, nehmen Sie auf eigene Gefahr mit. Wir übernehmen für Ihre Gedanken keine Verantwortung. Nach Luhmann sind alle Arten von Kommunikation riskant.

Das normale Kongress Design ist für Menschen die systemisch denken, also soziale autopoietische Systeme, überholt. Klassischerweise geschieht Wissenstransfer mit herkömmlicher medialer Didaktik. Eine Power Point Präsentation erhöht die Illusion, auch Bewusstseinstransfer sei möglich. 

Im Kongress-Kontext bedeutet das, man greift Wissen ab, lernt etwas, trifft Leute...

Wir haben andere Ankoppelungschancen und Ankoppelungsmöglichkeiten gewählt und stellen dagegen: Kunst und Selbermachen! Also kein typisches Kongressangebot. Ein brake, weil es sicher die üblichen Erwartungen der Teilnehmer nicht erfüllt.

Keine Vermittlung durch Vortragende!

Wir wollten zum Thema Macht nichts erklären und auch keinen Transfer herstellen, dass wäre uns zu linear gewesen. Auch hier: mach was du willst mit dem, was da ist.

Der Begriff Transfer suggeriert eine nahezu 1:1 Übertragung eines Bildes oder einer Erfahrung von einem Vortragenden in ein autopoietisches System, nämlich zum Kongressteilnehmer. Damit ist die Annahme verbunden, Erfahrungen könnten von einer Kontextsituation in eine andere Kontextsituation problemlos übertragen und übernommen werden.

Erfahrungen des einen sind nicht durch Sprache in den Existenzraum des anderen transferierbar. Wir können nicht verstehen, generell verstehen wir uns nicht. Erfahrungen sind nicht transferierbar.

Wir halten den Begriff der Resonanz für brauchbarer.

Resonanz entsteht im System selbst, hier: im System anwesender Teilnehmer. Es entstehen Schwingungen, Anschlüsse, Wirkungen, die selbstreferentiell sind und mit der Welt des Teilnehmers zu tun haben.

Die Entstehung von Realitäten geschieht auf Grund von Resonanzen im System selbst. Der Teilnehmer erschafft sich seine Wirklichkeit.

Wir wollten Resonanz² erzeugen und benutzten deshalb den Kunstgriff der "Ausstellung".

Kunst spricht nicht! Kunst verweigert den sprachlichen Dialog mit dem Künstler und zwingt den Betrachter zu eigenem Tun. Kunst ist Aneignung und Verknüpfung von eigener Erfahrung und eigener Erfahrung und eigener Erfahrung...

Wir wissen nicht, was der Beobachter macht, denkt, tut, fühlt, sieht, hört, riecht, schmeckt... jetzt, morgen, später.

Für den Künstler ist es irrelevant, er weiß nichts vom Beobachter, so lange nicht, bis er vom Beobachter ein Feedback erhält.

In einer Ausstellung wird der Besucher brutal auf sich selbst zurückgeworfen. Getreu unserer Überschrift: "Mach was Du willst - erweitere die Möglichkeiten" erfolgt die Aufforderung: Besucher, schließe bei dir selber an, werde dir deiner Selbstreferentialität bewusst. Wir machen nichts mit dir - wir kennen nicht deine Resonanzen.

Kunst redet nicht!

Ein Kunstsystem, das "Beratungs-Environment" stellt sich in eine Kongressumwelt. 

Mit Hilfe unseres Designs und unserem didaktischen Potential gestalten wir eine Umwelt, die in hohem Maße Resonanzen und Selbstreflexion ermöglicht - zum Thema "Macht in der Beratung".

Das didaktische Potential:
Kreisform / Stühle / Raum / Pinnwände / Aufgabenstellung / Fragen zur Macht / Flipchart / Filzer / Zeitschiene / Digitalkameras / Notebook / Seil (rot) / Krone / Licht / Stummer Diener / Licht / Nichteinmischung / Absolute Wahlmöglichkeit / Schmerzhafte Selbstkontrolle / Waschbecken / T-Shirt / Verkleidung / Rollenübernahme / Kaffee

Unsere Entscheidung für die Wahl der Potentiale war: wir wollten nichts vermitteln, sondern Besucher-Ressourcen über Selbstreflexion anregen.

Überwiegend geschieht Kommunikation durch Sprache. Die Kunst spricht nicht, sie gebraucht eine andere Symbolik, um Anschlüsse zu ermöglichen.

Symbolisierung ist die Voraussetzung des Verstehens und der Sinngebung.

Wenn die Aufgabenstellung und die angebotenen Fragen in der Ausstellung als Symbol identifiziert werden und eine Frage des ICHs auslösen, geht das Selbst in die Reflexion. 

Mehr geht nicht - mehr kann man nicht erreichen!

Mit der güldenen Krone haben wir uns für ein Symbol entschieden und in das Kommunikationssystem gestellt.

Die Krone ist eine Art von kulturellem Wissen, "Krone" versteht schon jeder 5jährige. Die Krone ist Symbol für eine Kommunikationsform, die allgemein zugänglich ist. Dies macht andere Erfahrungen möglich als sprachliche Kommunikation und kann deshalb weiter zurückgreifen als der Gedanke.

Was passiert, wenn sich Besucher die Krone der Macht aufsetzen?

Beim Aufsetzen der Krone beginnt das Feld der Wahrnehmung, der Passung für den aktiven Besucher. Wer setzt sich denn überhaupt die Krone auf?

Beobachten... Erkennen... Fragen...
Ob die Besucher zu Beobachtern ihrer selbst werden im Kontakt mit den Fragen (Pinnwände) und der Krone... ?

Unsere Idee noch einmal an dieser Stelle: Vielfalt der Potentiale und Offenheit ermöglichen Erfahrungen. "Krone auf" ist sinnliche Erfahrung des Machtgefühls und fördert Bewusstseinsprozesse.

Die anderen Anschlussmöglichkeiten in dem Beratungs-Environment wurden ebenfalls genutzt; die Fragen zur Macht, die Aufgabenstellung, der Raum, Kaffee.

Ein weiteres weiteren Potential, welches wir ausdrücklich anboten: "Macht Fotos". Die Besucher sind aufgefordert, während der Ausstellung mit Digitalkameras zu fotografieren.

Die Fotografie ist ein Kunstgriff der Dissoziationen und ermöglicht andere individuelle Ankoppelungen.

Die Kamera ist eine absolute Beobachtungsmaschine und sie ist ein Machtinstrument. Beobachtung mit dem Objektiv ist Machtausübung!

Die Kamera ist zugleich das 3te Auge.
Dieses 3te Auge stellt eine zusätzliche Perspektive dar, ist ein zusätzlicher Blick und lädt ein zu Experimenten, Wahrnehmungs- und Reflexionsexperimenten.

Die geschossenen Fotos wurden beinahe in Echtzeit am Monitor sichtbar gemacht.

Die Perspektive ändert sich.

Und schon ist es wieder eine Neuerschaffung. Nichts ist, wie es war. Neue Welten entstehen. Neue Bilder.

Als Künstler sind wir stolz auf unser Beratungs-Environment, wir haben viel Spaß gehabt.

Wir als Berater stellen Umwelten her, damit der andere ankoppeln kann und dessen Selbstreflexion in Gang kommt. Je mehr Wahrnehmungskanäle angesprochen werden, desto vielfältiger sind die Gedanken.

Alle Fragen, die angebotenen und die selbst entwickelten, bieten dem Kunden eine neue Umweltkonstruktion und die Möglichkeit der Veränderung.

Wir wissen nicht was geschieht. Wir beobachten, das die Besucher sich beobachten.

In dieser Hinsicht waren wir eigentlich nicht da, als Künstler abwesend, haben niemanden in Kleingruppen geschickt, und waren doch anwesend.

Das Beratungs-Environment war anwesend und wir mittendrin

Es gibt Kaffee, visuelle Konnotationen, nämlich die fertigen Bilder und das T-Shirt.

Der Kauf des T-Shirts (noch zu haben) ermöglich Ihnen auch heute noch den Eintritt in Ihr persönliches Beratungs-Environment, "Macht doch was Ihr wollt - erweitere die Möglichkeiten".

Die Ausstellung geht weiter im Internet: senden Sie Fotos Ihrer Symbole der MACHT: machtfotos(at)schlingensiepen.de

Ulrich Schlingensiepen - www.schlingensiepen.de
Ilona Lorenzen - www.ilonalorenzen.de